Notfallpädagogik für aus dem Gaza geflohene Kinder in Ägypten

30.09.2024
  • Zielgruppe: palästinensische Kinder und Mütter 
  • 15. – 22. September 2024
  • Partner:  Software AG Stiftung und Rosa und Bernhard Merz Stiftung

Es ist der schlimmste Gewaltausbruch seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. 70 Prozent der etwa 440.000 Häuser im Gaza wurden bei den Kampfhandlungen seit dem Oktober 2024 zerstört oder massiv beschädigt worden. Laut UNO lagern im Gaza über 37 Millionen Trümmer.

Im aktuellen Gaza-Krieg wurden bisher mehr als 41.000 Menschen getötet, darunter 14.000 Kinder. Über 100.000 Menschen wurden bisher bei den Bombenangriffen verletzt. Schätzungsweise 18.000 Kinder wurden Vollwaisen. Laut Angaben der Weltbank sind 77 Prozent der Gesundheitseinrichtungen zerstört. Statistisch gibt es eine Toilette für 850 Menschen.

Die Lebensgrundlagen der Menschen wurden nachhaltig ruiniert. 

1,9 Millionen Binnenflüchtlinge pferchen sich in markierten Schutzzonen im Süden des Gaza. 

Einigen Kindern gelang mit oder ohne Bezugspersonen die Flucht nach Ägypten. Vom 15.-22.09.2024 führte „Notfallpädagogik ohne Grenzen“ eine Krisenintervention für geflüchtete Kinder und ihre Mütter im Großraum von Kairo durch. In Obour konnten dabei etwa 100 Kinder an den Interventionen teilnehmen.

Das Interventionsteam bestand aus Notfallpädagoginnen und Notfallpädagogen aus Ägypten, Brasilien, Deutschland, Frankreich, Italien und der Schweiz.

Seit Beginn des Gaza-Krieges im Oktober 2023 sind etwa 100000 Palästinenser nach Ägypten geflohen, meist Mütter mit ihren Kindern. Um auf die Ausreiseliste der UNO zu gelangen, werden momentan etwa US $ 5000.- pro Person benötigt. In Ägypten leben die Flüchtlinge illegal, aber geduldet. Sie erhalten keinerlei Unterstützung. Ein Schulbesuch der Kinder ist nicht erlaubt, medizinische Hilfe muss privat bezahlt werden.

In Obour, einer Stadt im Umland von Kairo, führte „Notfallpädagogik ohne Grenzen“ vom 16.-18.09.2024 Elternseminare und Beratungen im Umgang mit traumabedingten Reaktionen der Kinder durch. Etwa jeweils 40 Mütter nahmen an den Interventionen teil. Alle hatten den Tod von Familienangehörigen zu beklagen. Eine teilnehmende Mutter verlor 9 Kinder, als ein Geschoss ihr Haus traf. 

Traumatisierungen geschehen täglich und in vielen Formen: individuell, kulturell, kollektiv, transgenerational. Am vulnerabelsten sind Kinder. Je früher ihnen bei der Bewältigung ihrer Erlebnisse geholfen werden kann, desto besser die Prognose einer Wundheilung ohne Trauma-Folgestörungen. Eltern, Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Gesundheitsdienste spielen bei der Früherkennung kindlicher Traumata eine wichtige Rolle.

Im Mahad, dem Kulturzentrum der Sekem-Farm in Heliopolis/Ägypten, fand am 20. und 21.09.2024 ein zweitägiges notfallpädagogisches Einführungsseminar für Lehrkräfte der Sekem-Schule, für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des ambulanten Gesundheitsdienstes des Sekem-Hospitals für die umliegenden Dörfer und für Studentinnen und Studenten der Sekem-Akademie in Heliopolis statt. An dem Seminar nahmen etwa 40 Personen teil. 

Neben den Seminaren wurden sechs heilpädagogischen Lehrerinnen der Sekem-Schule zum Thema Trauma und Behinderung geschult.

Aufgrund der unzureichenden medizinischen Versorgung der Kriegsflüchtlinge gibt es viele Betroffene mit unzulänglich versorgten Kriegsverletzungen oder Krankheiten. Auch einige der Mütter, die an den Elternseminaren teilnahmen hatten Kriegsverletzungen, die dringend medizinisch behandelt werden müssten. Vor diesem Hintergrund fanden ärztliche Beratungen und darüber hinaus Konsultationen für Familien mit Kindern mit erheblichem Förderbedarf durch.

Am 22.09.2024 gründete sich auf Sekem das erste Notfallteam von „Notfallpädagogik ohne Grenzen – Ägypten“. Der Gruppe gehören etwa 25 Mitglieder an.

Traumatisierte Kinder benötigen zur Taumaheilung stabile Helfer. Um als Helfer in der Arbeit mit traumatisierten Menschen stabil und handlungsfähig zu bleiben, bedarf es der strukturierten Verarbeitung der Erlebnisse, die während des Umgangs mit den Traumatisierten gemacht wurden. Rituelle Morgen- und Abendkreise sind Aspekte der Psychohygiene der Interventionsteams.

Wie bei allen notfallpädagogischen Kriseninterventionen arbeiten die Helfer ehrenamtlich. Ihnen gebührt für ihr Engagement Dank und Anerkennung, ebenso wie den Kooperationspartnern auf Sekem, Konstanze Abouleish, Helmy Abouleish und Regina Hanel.

Dem internationalen Notfallteam der Ägypten-Intervention zugunsten der Kinder und Mütter, die dem Krieg im Gaza durch Flucht nach Ägypten entkommen konnten, gehörten an: Christian Anger (Deutschland), Fabrizio Aphen (Italien), Sylvia Borau (Deutschland), Praxede Dahan (Frankreich),  Israa Hegab (Ägypten), Sabine Häfner(Schweiz), Reinaldo Nascimento (Brasilien), Bernd Ruf (Deutschland), Cathrin Ruf (Deutschland), Marc Schläppi (Schweiz)

Dankeschön für Ihre großzügige Unterstützung

Wir möchten uns herzlich bei der Software AG Stiftung und der Rosa und Bernhard Merz Stiftung für ihre großzügigen Spenden bedanken. Dank Ihrer Unterstützung konnten wir unseren erfolgreichen Einsatz in Ägypten durchführen und wichtige Hilfe vor Ort leisten. Ihre Beiträge haben es uns ermöglicht, Leben zu verändern und einen nachhaltigen positiven Einfluss auf die Gemeinschaften vor Ort zu hinterlassen.

Ihre Großzügigkeit gibt uns die Kraft, unsere Mission fortzusetzen, und wir sind zutiefst dankbar für Ihr Vertrauen in unsere Arbeit.

Herzlichen Dank!

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