"Als hätten wir einen geliebten Menschen verloren!"

21.02.2025

USA-Einsatz des Los Angeles Fires Intervention Team von Notfallpädagogik ohne Grenzen nach der Brandkatastrophe im Großraum von Los Angeles

„Los Angeles brennt“ (Welt online, 09.01.2025a). Im Januar 2025 tobten verheerende Feuerstürme im Großraum von Los Angeles. Es sind apokalyptische Bilder, die über die Medien verbreitet werden: brennende Stadtteile, beißende Rauchschwaden, fliehende Menschen. Tagelang waren die Brände außer Kontrolle, die Feuerwehren standen den Flammen machtlos gegenüber. Pro Minute fielen zwei Häuser den Flammen zum Opfer. Über 9400 Wohnungen wurden schließlich bei den Bränden zerstört und ganze Orte wie Pacific Palisades niedergebrannt. Annährend 180000 Menschen mussten vor den Feuerbrünsten fliehen oder wurden aufgefordert ihre Wohnungen zu verlassen, um sich vor dem Inferno sich in Sicherheit zu bringen. Die apokalyptischen Großfeuer von Pacific Palisades, Eaton, Hurst und Hollywood gelten als eine „historische Naturkatastrophe“ (Welt online, 09.01.2025b) und „eine der schlimmsten Feuerkatastrophen der Stadtgeschichte“ (Welt online, 09.01.2025a).

Evakuierungen oder der Verlust des Hauses hat für die leidgeprüften Betroffenen erhebliche psychische Konsequenzen. Der US-Schauspieler James Wood schrieb nach seiner Flucht aus seinem Haus in Pacific Palisades auf X: „Es fühlt sich an, als hätten wir einen geliebten Menschen verloren“ (ebd). Besonders Kinder und Jugendliche, bei denen bereits ein Umzug zu posttraumatischen Reaktionen führen kann, zeigen sich für derartige Veränderungen vulnerabel.

Nach einer kurzen Schockphase können vielfältige Symptombildungen auftreten; Ängste und Panik, Motivationsverlust und Antriebslosigkeit, Traurigkeit und Weinerlichkeit, Wut und Reizbarkeit, seelische Gefühllosigkeit (Numbing) und Stimmungsschwankungen, Regressionen und sozialer Rückzug, Übererregung und nächtliche Albträume. Es können aber auch psychosomatische Reaktionen erfolgen: Kopf- und Bauchschmerzen, Schüttelfrost und Zittern, Appetitlosigkeit und Schlafproblem, Nervosität und Infektanfälligkeit.

All diese Symptome stellen in den ersten Monaten noch keine Krankheit dar. Es handelt sich um normale Reaktionen auf ein unnormales Erlebnis! In aller Regel werden sich die oft leidvollen Symptome zurückbilden und schließlich ausklingen. Es entspricht dies dem Wundheilungsprozess nach einer Verletzung. Notfallpädagogik will durch pädagogische Nothilfemaßnahmen Kinder und Jugendliche unterstützen, um spätere Angststörungen oder posttraumatische Belastungsstörungen zu vermeiden.

Vom 08. Bis 14. Februar führte Notfallpädagogik ohne Grenzen – Team USA unter der Leitung von Ortsgruppe Pasadena/CA und zusammen mit Ortsgruppen von Maui/HI, Detroit/MI und Wilton/NH notfallpädagogische Kriseninterventionen im Großraum von Los Angeles durch. Das 26-köpfige Einsatz-Team, das aus pädagogischen und therapeutischen Fachkräften sowie einer Ärztin bestand, wurde von Christine Burke und Dr. Ida Oberman koordiniert. Die pädagogische Leitung hatte Alicia D´Urso von Notfallpädagogik ohne Grenzen – Mexico. Als Head of mission unterstützte Bernd Ruf von Notfallpädagogik ohne Grenzen – Deutschland das US-Team bei seinem Einsatz.

Alicia d'Urso

Alicia d'Urso

Christine Burke

Dr. Ida Oberman

Bernd Ruf


Wenn nichts mehr ist, wie es vorher war - Notfallpädagogik für Kinder und Jugendliche in Pasadena und Santa Monica

Von der verheerenden Brandkatastrophe im Großraum Los Angeles waren auch zwei Waldorfschulen betroffen. Viele Kinder und Jugendliche sowie ihre Eltern verloren ihr Zuhause. Auch Lehrkräfte der beiden Schulen konnten oft nicht mehr als ihr Leben retten.

Die Pasadena Waldorf School, eine der ältesten Waldorfschulen der USA, verlor ihren gesamten Unter- und Mittelstufen-Campus. Die Klassen konnten in der Calvary Chapel von Burbank untergebracht werden. Aufgrund der drangvollen Enge fanden die dreitägigen notfallpädagogischen Interventionen im Stadtpark von Burbank statt.

Abgebrannte Unterstufengebäude der Pasadena Waldorf School

Abgebrannte Unterstufengebäude der Pasadena Waldorf School

Die Westside Waldorf School in Santa Monica wurde von der Feuerbrunst ebenfalls massiv in Mitleidenschaft gezogen. Auch hier wurden dreitägige Interventionen für den Kindergarten und die Unterstufenklassen durchgeführt.

Die Westside Waldorf School in Pasific Palisades wurde von der Feuerbrunst ebenfalls massiv in Mitleidenschaft gezogen. Die Klassen mussten notgedrungen Platz finden in Ihrem Santa Monica Schulgebäude und dem gegenüberliegenden Bürogebäude. Auch hier wurden dreitägige Interventionen für den Kindergarten und die Unterstufenklassen durchgeführt.

Traumatisierte Kinder benötigen stabile Lehrkräfte – Workshops für lokale pädagogische Fachkräfte

Von der Brandkatastrophe in Los Angeles waren neben den Kindern und ihren Familien auch Lehrkräfte betroffen. Auch sie zeigen dann traumabedingte Reaktionen: Konzentrations- und Gedächtnisprobleme, Müdigkeits- und Erschöpfungssymptome, innere Unruhe und Schlafstörungen, Traurigkeit und Angstgefühle. Hinzu können vor dem Hintergrund dieser traumabedingten Reaktionen auch paradoxe Schuld- und Schamgefühle auftreten, weil sich der meist unbegründete Eindruck verfestigt, der eigenen Aufgabe und Verantwortung gegenüber nicht mehr gewachsen zu sein.

Da Kinder und Jugendliche nach traumatischen Erlebnissen sich meist ängstlich, verunsichert und ausgeliefert fühlen, benötigen sie seelisch stabile Erwachsene, um innere Ruhe, Geborgenheitsgefühle und neue Orientierung zu erfahren.

Deshalb wurden an beiden Schulen Workshops für pädagogische Fachkräfte angeboten.

Workshop für Lehrkräfte der Westside Waldorf School

Workshop für Lehrkräfte der Westside Waldorf School

Traumata verändern das Verhalten – Elternberatung im Umgang mit traumabedingtem Verhalten ihrer Kinder und Jugendlichen

Eltern, die oft selbst durch die Ereignisse des Großfeuers traumatisiert sind, können oftmals das nach einem Trauma veränderten Verhalten ihrer Kinder nicht verstehen. Es besteht dann die Gefahr, durch unangemessene Erziehungsmethoden den Verlauf der Traumabewältigung zu stören. 

Um Eltern über Traumata zu informieren und sie im Umgang mit den traumabedingten Verhaltensreaktionen ihrer Kinder zu unterstützen, wurden Workshops zur Elternberatung durchgeführt.

Elternberatung an der Pasadena Waldorf School

Elternberatung an der Pasadena Waldorf School

Wie bleiben Helfer angesichts der Belastungen gesund? – Psychohygiene des Einsatzteams

Traumata gelten als ansteckende seelische Infektionskrankheit. Um sich angesichts der stressvollen Belastungen, die sich aus den Interventionen mit Traumatisierten ergeben, zu schützen, bedarf es Sicherheitsvorkehrungen für die Helfer. Diese bestehen aus umfangreichen individuell-persönlichen und institutionell-organisatorischen Schutzmaßnahmen. Neben Ausbildungs- und Fortbildungsstandards sowie diverser Akut- und Langzeittechniken zur Stressbewältigung gehören auch eine Alltagsstruktur mit ritualisierten Morgen- und Abendkreisen sowie tägliche Reflektionsgespräche im Team zur Psychohygiene der Einsatzdurchführung. Die psychohygienischen Schutzmaßnahmen dienen der Gesundheit und der Aufrechterhaltung der Handlungskompetenz des Teams. 

Was ist ein Trauma und was kann ich zur Heilung tun? - Psychoedukation durch öffentliche Vorträge

Extreme Stresserlebnisse verändern das Leben der Betroffenen nachhaltig. Was ist ein Trauma? Was macht es mit den Menschen? Was kann zur Trauma-Heilung getan werden? Diese Fragen bewegen viele Menschen angesichts der Ereignisse. 

In drei öffentlichen Vorträgen in den Räumlichkeiten der Anthroposophischen Gesellschaft und der Ocean Charter School konnten Themen der Psychoedukation behandelt und praktische Ratschläge zur Trauma-Bearbeitung innerhalb der frühen Phase einer Trauma-Entwicklung angeboten werden. Die Vorträge, die Bernd Ruf in deutscher Sprache hielt, wurden von Dr. Ida Oberman ins Englische übersetzt.

Anthroposophische Gesellschaft in Los Angeles, Vortrag, 10.02.2025

Anthroposophische Gesellschaft in Los Angeles, Vortrag, 10.02.2025

Ocean Charter School, Vortrag, 12.02.2025

Ocean Charter School, Vortrag, 12.02.2025

Ocean Charter School, Vortrag, 12.02.2025

Anthroposophische Gesellschaft Los Angeles, Vortrag für pädagogische Fachkräfte, 13.02.2025
 

Das Einsatzteam

Dem Los Angeles Fires Intervention Team von Notfallpädagogik ohne Grenzen - USA gehörten an:

Frank Agrama, Amy Joy Allahdadi, Rosa Balderrama, Skeydrit Baur; Michelle Blazewicz, Dwight Branscombe, Christine Burke (Koordination), Natalie Cargill; Zuri Burns, Dr. Daciana Iancu (Arztin), Catalina de Luna Garza, Lisl Hofer, Brian Jacques, Chelaine Kokos; Aileen Leijten; Leona Marrs, Yoelle Carter Martinez, Dr. Ida Oberman (Koordination), Cathy O´Neill, Natalia Picasso, Bernd Ruf (Head of Mission), Nikki Shoneman; Heidi Schwarzenbach, Rasha Shalaby, Gleice da Silva, Mary Spalding, Alicia D´Urso (Pädagogische Leitung), Jenniger Gould

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